Matterhorn – Zmuttgrat

UIAA 5, M6, 60°

September 2018

Der Zmuttgrat gehört zu den großen Grattouren der Alpen. Von der Tatsache, dass er bereits 1879 erstbegangen wurde und laut Beschreibung die Schwierigkeit den 3. Grad nirgends übersteigt, sollte man sich nicht verleiten lassen. Bei schlechter Witterung steigt der Schwierigkeitsgrad erheblich und entwickelt sich zu einer großzügigen Unternehmung….

Der Zeltplatz „Attermenzen“ in Randa ist bereits seit Jahren ein guter Ausgangspunkt für Touren. Gegen eine geringe Gebühr kann man das Autohier parken und mit der zeltplatzeigenen „Buslinie“ Fredy-Taxi von hier aus direkt nach Zermatt fahren. In Zermatt investieren wir in ein wenig Gebäck und einen Cappuccino – das sind dann 30 € – man gönnt sich ja sonst nichts. Mit der ersten Bahn geht es dann gegen 9:00 Uhr zum Schwarzsee. Hier empfängt uns das Matterhorn vor grandiosem, blauem Himmel. Absteigend geht es nun unter der Nordwand hinweg Richtung Schönbielhütte. Diese Route gestattet einen sehr guten Einblick in die Nordwand, die für diese Jahreszeit schon ungewöhnlich weis aussieht. Nach zwei Stunden erreichen wir die Moräne des Zmuttgletschers, über die wir die nächsten 3 h über grobes Geröll laufen. Beeindruckend auf diesem Wegabschnitt sind die vom Gletscher geglätteten Begrenzungsfelsen, die bis ca. 100-150 m über uns poliert sind. Wir erreichen den markanten Wasserfall und entschließen uns für eine kurze Pause. Da wir minimalistisch unterwegs sind – wir verzichtenbewusst auf die Mitnahme von (schwerer) Flüssigkeit inkl. Thermoskanne – und es warm ist, kommt uns ein Wasserfall gerade recht.

Nach der Pause führt ein Band rechts des Wasserfalls inleichter Kletterei über glatte Felsen schräg nach links aufwärts. Über weitere Rinnen erreichen wir eine ausgedehnte Geröllfläche unterhalb des markanten Punktes P 2994. Da wir es nicht besser wissen, steigen wir unterhalb der Felsnadel in den Gletscher ein. Auf das Anseilen können wir auf dem aperen Gletscher verzichten. Über den Gletscher geht es schnell voran, leider nicht an Höhenmetern. Auf dem oberen Gletscherplateau angekommen, fragen wir uns nun, wo genau der Einstieg ist? Der AV-Führer ist hier wenig detailliert und hilft nicht weiter. Wir entschließen uns nun für eine Rinne, zu der ein Schneefeld führt und die bis auf ein höheres Geröllfeld zieht. Der Einstieg zur Rinne zeigt sich als äußerst brüchig. Offensichtlich hatten auch schon einige vor uns diese Idee und so können wir ein altes Fixseil nutzen. Trotz starker Beschädigung hält dieses erstaunlicherweise und kann so zur händischen Sicherung genutzt werden. Durch die Rinne erreichen wir das obere Geröllfeld und in weiteren 2 Stunden ein Schneefeld, das endlich auf den Grat führt. Mit einbrechender Dunkelheit gelangen wir zur Gratkante auf etwa 3800 m.

Matterhorn-Zmuttgrat, unterer Abschnitt.

Um 8:00 Uhr geht es am nächsten Tag im leichten 2er Geländeauf den ersten Zmuttzahn. Der Fels ist zwar verschneit, aber das stört in diesem zerklüfteten Gelände nicht weiter.

Leichte Kletterei am ersten Zmuttzahn.

Mal am Grat entlang, mal leicht links davon kommen wir hier zügig voran und erreichen gegen 9:15 Uhr die erste Abseilstelle. Nach ca. 10 m abseilen in eine Scharte, legt die Schwierigkeit hier eine Umgehung nahe. Wir umgehen einen Gratturm rechts auf einem Band. Der Fels ist leicht überhängend, so dass mir kriechen hier angenehmer erscheint. Andrés Rucksack ist etwas voluminöser als mein Freeride-Modell, so das kriechen für Ihn keine Option ist und er die Querung mit dem Körper unterhalb des Bandes unangenehmer klettern muss.

Das Kriechband nach der ersten Abseilstelle.

In steiler Kletterei (20 Hm, 5) gelangen wir anschließend, teils überhängend, wieder zur Gratkante, die in diesem Abschnitt sehr scharf und luftig ist. Um11:30 Uhr erreichen wir den letzten Gendarmen dieses Abschnittes. Wir versuchen diesen links zu umgehen, aber das Gelände fällt hier sehr steil ab. Zwar zieht ein Hangelband zur Einschartung, aber diese Möglichkeit erscheint uns zuriskant. Ich gehe ein Stück zurück und versuche es rechts. In unübersichtlichem Gelände gelange ich um eine Kante ansteigend auf den Gendarmen. Eine Abseile weißt den Weg in die Scharte (10 m). Den Gratabschnitt zwischen den beiden Abseilstellen, für den wir 2 Stunden benötigt haben, lässt sich auch einfach im Schutt rechts umgehen (Spuren).

Zu Beginn des zweiten Grataufschwungs – hier wird die Kletterei wesentlich schwieriger.

Der folgende Gratabschnitt ist nun wesentlich steiler und unter diesen Bedingungen ernsthafter als der restliche Grat. Vom Standplatz (BH, einige Meter oberhalb der Scharte) führt eine wenig ausgeprägte, steile Rinne (links des Grates) ca. 15 Hm hinauf zur Gratkante (2 Haken). Diese ist gut griffig und ließ sich trotz Schneeauflage gut klettern. Laut Führer soll man von hier, nahe der Gratkante bleiben, wohingegen ältere Beschreibungen die linke Flanke favorisieren. Auf der Gratkante sind oftmals glatte Platten anzutreffen, die bei schneefreien Bedingungen sicher kein Problem darstellen,verschneit mit Steigeisen jedoch unangenehm und gefährlich zu klettern sind. Wir entschieden uns daher oft für die Flanke. Auf wenig ausgeprägten Bändern kann man in der Flanke gut traversieren, Sicherungen (Friends, Schlingen) lassen sich jedoch fast nie anbringen.

Auch das Traversieren in der Flanke ist nicht ganz einfach.

Je mehr wir an Höhe gewinnen, desto schwieriger wird auch die Kletterei (M6, kurze Passagen). Die letzten Meter führen automatisch zurück zum Grat und zu einer kleinen Scharte, von der ein Schneegrat zu einem Standplatz führt (NH). Der Grat steilt von hieraus nochmals deutlich auf und bricht nach rechts senkrecht ab. Von hieraus soll auf einem gut ausgeprägten Band in senkrechtem Gelände nach rechts um die Ecke in die Westwand traversiert werden. Wir sehen uns das Gelände lange an und können uns für keines der Bänder ausnahmslos begeistern. Manche sind nicht durchgängig, andere scheinen zu abschüssig… Kurzum: Hier kommen mehrere Bänder in Betracht, von denen nicht jedes begehbar zu sein scheint.

Schlüsselstelle mit luftiger Kletterei.

Von einem alten Schlaghaken aus, entscheidenwir uns für ein Band oberhalb von uns. Bis zum Band müssen wir jedoch noch eine fast senkrechte Wandstufe überwinden. In schwieriger Kletterei ersteige ich an fast nur Untergriffen schräg rechts 15 m aufsteigend die Wandstufe. Leidergelingt es mir nirgends eine Sicherung zu platzieren und die Kletterei wird schwerer. Wenigstens kann ich jetzt den Bandabschnitt sehen, der um die Ecke führt. Dazwischen liegen aber noch 2 m strukturloser Fels in mittlerweile senkrechtem Gelände. Angesichts meiner Lage – ungesichert – ist es mir unklar, wie ich die Distanz überwinden kann. Ich schaue mich noch einmal um und kann doch einen Friend hinter einer Schuppe platzieren – der muss jetzt einfach halten. Ich mache einen seitlichen Ausfallschritt nach rechts und kann die Frontalzacken meines Steigeisens an einem kleinen Vorsprung platzieren und verlagere mein Gewicht auf meinen rechten Fuß. Am Anfang des Bandes entdecke ich in Kniehöhe eine kleine Steinsäule, kann aber deren Festigkeit nicht beurteilen. Für einen statischen Kletterzug ist sie zu weit entfernt, also gehe ich in die Knie und lasse mich zu ihr rüber kippen. Ich kann sie greifen und …. sie hält! Ohne Probleme gelange ich auf das Band und sehe um die Ecke endlich die Westwand. In zwei Rissen kann ich mit zwei Friends einen guten Standplatz einrichten und André sicher nachholen.

Endlich mal ein guter Standplatz.

Es ist inzwischen später Nachmittag. Die Westwand ist seit vielen Stunden der Sonne ausgesetzt und nun entsprechend aufgeweicht. Zudem ist der Aufstieg zum Gipfel, inklusive Abstieg zur Solvayhütte bei Tageslicht eher unwahrscheinlich, also entschließen wir uns für eine Nacht auf dem komfortablen Band.

Zügig geht es durch die Westwand.

Gegen 8:00 steigen wir am nächsten Morgen in die Westwand ein und könnenproblemlos im Firn-Eis-mix in einer Stunde bis zur Querung aufsteigen. Da wenig Eis in der Wand ist, entscheiden wir uns vor dem eigentlichen Carrell-Band für die erste Möglichkeit einer Querung. Im klassischen Mixed-Gelände kann André eine halbe Eisschraube setzen und so wenigstens ein Stück der Passage notdürftig absichern.

Querung an „halber“ Eisschraube – das ist immer noch komfortabler als der Tag zuvor.

Am Grat angekommen, entdecken wir einen alten Ringhaken der offensichtlich den Einstieg markiert. In leichter Kletterei, die wir nicht zu sichern brauchen, gelangen wir auf den Firngrat. In einer weiteren guten Stunde steigen wir oft nordseitig im Pulver dem Gipfel entgegen und erreichen diesen kurz nach 11 Uhr.

Die letzten Meter am Zmuttgrat.

Wir halten uns nicht lange auf, schießen schnell zwei Fotos und machen uns an den Abstieg über den Hörnligrat, den man nicht unterschätzen sollte! Obwohl dieser nicht sonderlich schwierig ist, birgt die schiere Länge der ausgesetzten Passagen, gepaart mit unübersichtlicher Wegfindung und brüchigem Gelände viele Gefahren. Konzentration ist also auch hier angebracht.

Auch am Hörnligrat ist Konzentration angebracht.

Da wir nun nicht mehr ganz frisch sind, brauchen wir 8 h für den Abstieg und sind um 19:30 Uhr an der Hörnlihütte. Nach einer kurzen Rast machen wir uns zum Schwarzsee auf. Dank meiner vielgeschätzten Stirnlampe, die schon wieder mal nicht geht, muss ich vorlaufen und André mir den Weg leuchten….

Ein Stein lag dann doch im Weg und so beende ich die Tour mit einer blauen Fußzehe.