Dampfstrahler WI 5+
In einem Wandbereich, in dem der leichteste Durchstieg eine WI 5+ ist, ist keine Seillänge leicht, das sollte einem eigentlich klar sein….
Wichtig: Dies ist ein 360°-Video. Du kannst die Blickrichtung selbst bestimmen. Ich empfehle den Vollbildmodus.
Nach gut zwei Stunden zustieg mit unseren Tourenski sind wir um 9:30 Uhr am Einstieg der Renkfälle im linken Wandbereich. Auch für den beliebten, klassischen Renkfall (WI 4+) gibt es an diesem freitagmorgen Aspiranten. Unser Wandbereich ist etwas steiler und daher weniger beliebt. Wir verhandeln noch schnell die zwei schwierigen Längen – jeder soll seinen Spaß haben. André möchte die längere steile Schlusslänge (4. Seillänge) vorsteigen, so bleibt für mich die Option einer der beiden Säulen in der 2. Seillänge zu klettern.
André klettert los und braucht für die erste Seillänge ungewöhnlich lange. Mir wird am Stand trotz Daunenjacke und Fäustlingen beim Sichern kalt. Das Thermometer zeigt kalte -8 °C. Nach einer gefühlten Ewigkeit hat es André nun endlich geschafft. Er macht an den großen Eissäulen Stand und ich kann nachkommen. Durch tiefen Pulverschnee wühle ich mich zum Einstieg und klettere los. Nach ca. 20 m steilt sich die Wand auf. Nun sehe ich, warum hier André so lange gebraucht hat. Das Gelände ist in langen Bereichen nahezu senkrecht und die Eisqualität ist auch nicht überall die Beste. Eine Querung nach links ist wirklich sehr unangenehm zu klettern, weil das Gelände hier leicht überhängt. Die senkrechten Passagen sind etwas besser. Ich erreiche den Standplatz und sehe mir die Säulen an. Der filigrane Aufbau der Säulen, gepaart mit den tiefen Temperaturen, garantieren eine schwierige und heikle Kletterei. Zu schwierig für mich – beschließe ich und sehe mir die längere senkrechte Passage rechts vom Standplatz an, die kompakteres Eis verspricht. Die ersten Meter sind von tiefem Pulver und ein paar Eisdeckeln gekennzeichnet, die leider nicht halten. Ein kurzer überhängender Abschnitt offeriert eine seichte, senkrechte Verschneidung. Das Eis ist hier zwar etwas röhrig, aber von besserer Qualität. So komme ich schnell höher. Hin und wieder kann ich mich sogar eindrehen und die Belastung auf die Arme, vor allem beim Setzen der Eisschrauben etwas reduzieren. Nach gut 20 Hm laufen mir diese dennoch zu. Die restlichen 10 Hm muss ich mich deshalb beeilen und setze die letzte Eisschaube, dieser mindestens senkrechten Passage, indem ich langsam vom Eisgerät rutsche. Der Ausstieg in flacheres Gelände ist noch einmal anspruchsvoll. Das Eis wird hier schlagartig härter und spröder. 2m nach dieser Passage mache ich Stand. Jetzt kann André nachkommen. André ist es wohl am Stand kalt geworden, so dass er nun auch mit Daunenjacke klettert. Auch er ist in dieser Passage nicht allzu schnell – das beruhigt mich etwas. Als ich ihm am Stand frage, wie er die Passage fand, sagt er: „einfach, man konnte ja gutstehen“. „Aha“ sage ich, also WI3? Er ergänzt: vielleicht „+“.
Weil André die schwierige letzte Seillänge machen möchte, bin ich jetzt noch mal dran. Beim Materialwechsel verabschiedet sich meine Daune Richtung Tal – naja wohl nicht mehr zu ändern, denke ich. Ich steige vor und setze kurz nach dem Stand die erste Eisschraube, um einen direkten Sturz in den Stand zu vermeiden und quere nach links. Obwohl das Gelände in diesem Abschnitt gut gestuft ist, gibt es hier keine leichten Seillängen, das musste ich zu meiner Überraschung erfahren. Das Gelände ist hier zwar nicht allzu schwer, aber in kurzen Passagen doch überhängend, mit tückischen flachen Ausstiegen. Die Eisqualität ist wirklich bescheiden. Schnee wechselt sich mit nicht tragenden Eisdeckeln und manchmal röhrigem Eis ab. Nach ca. 15 m beschließe ich, dass mir die Querung nach links über fragliche Eisdeckel und Pulverschnee zu gefährlich ist. Ich möchte daher leicht nach rechts in eine senkrechte Passage mit dafür solidem Eis wechseln. Ich stehe wiedermal an einem Bauch, mit den Füßen vor meinem Körperschwerpunkt. Als ich elegant über mein rechtes Eisgerät nach rechts kreuzen will, mache ich einen Fehler und stürze. André hält den Sturz souverän – ich schaue etwas verdattert, weil ich damit nicht gerechnet hatte – und weiter geht’s. Nach 30 Hm, dieses Mal gerade hoch, mache ich unter einer großen Säule Stand. André fand diese Seillänge übrigens auch unangenehm und gefährlich – dann wohl doch über WI 3+ 😉. Jetzt kommt endlich seine Länge. Die große Säule markiert den 6. Eisgrat, bei guten Verhältnissen wohlgemerkt und scheidet deshalb als Ausstiegsvariante klar aus. Nach etwas Stapferei hinter der großen Säule muss er nun nach links queren. Er bedankt sich noch mehrmals bei mir für die „schöne“ Querung – tja André, so ist das Leben, aber niemand wollte durch Pulver und Eisdeckel vor der Säule queren. Nach einer gefühlten Ewigkeit – ich muss mich nun am Stand ohne Daunenjacke sportlich betätigen – höre ich endlich „Stand“.
Die Querung ist tatsächlich ziemlich anspruchsvoll und so bin ich insgeheim froh, dass ich diese Passage nicht vorsteigen musste. Nach der Querung wird das Gelände deutlich leichter und ich erreiche nach 30 Hm den Ausstieg.
Beim Abseilen über die beiden großen Säulen sehe ich, dass diese auf der vollen Breite durchgerissen sind. Es klafft ein ca. 10 cm breiter Spalt. Ich denke zwar dennoch, dass Sie gehalten hätten – mit einem Riss hätte ich aber nicht gerechnet. Weiterhin fällt mir auf, dass die Säulen auf der Talseite doch deutlich leichter gewesen wären – Deshalb merke: Zur Beurteilung um die ganze Säule gehen!
Nach der Talabfahrt im Dunkeln sind wir um ca. 19:00 Uhr wieder zurück am Bus und fahren heim. Zum Glück gibt es unterwegs reichlich Cappuccino! 😉